Veranstaltung

„Unterricht ist aller Übel Anfang“

Über 300 Interessierte erleben Bildungsvision ohne Stress und Noten

Kein Frontalunterricht, keine Noten, keine starren Stundenpläne – und trotzdem motivierte Schüler*innen und herausragende Lernerfolge. Die Alemannenschule im südlichen Baden-Württemberg zeigt seit Jahren, wie Schule auch ganz anders funktionieren kann. Am Mittwochabend stellten der langjährige Schulleiter Stefan Ruppaner und seine ehemalige Stellvertreterin Patricia Schmidt dieses vielfach ausgezeichnete Modell an der Katholischen Hochschule Freiburg vor – vor über 300 interessierten Gästen, die teils vor Ort, teils online dabei waren.

Veranstaltet wurde der Abend unter dem Titel „Schule ohne Unterricht“ vom Verein „Eine Schule für alle“ Freiburg, der sich für ein gerechtes, inklusives und kindgerechtes Bildungssystem einsetzt.

Radikal anders – und erfolgreich

Unterricht ist aller Übel Anfang“, so Ruppaner gleich zu Beginn seines Vortrags – ein Satz, der provoziert, aber den Kern seiner Kritik trifft: Das traditionelle Verständnis von Schule mit festen Fächern, Frontalunterricht und Notendruck sei aus seiner Sicht eines der Hauptprobleme des heutigen Bildungssystems. Die Alemannenschule Wutöschingen habe sich deshalb bewusst davon gelöst.

Stattdessen setzt die Schule auf individuelle Lernwege, eigenverantwortliches Arbeiten, jahrgangsübergreifende Gruppen und vielfältige Rückmeldungen statt Noten. Klassenzimmer wurden durch offene Lernlandschaften ersetzt, Lehrerinnen verstehen sich als Lernbegleiterinnen. Prüfungen finden nur statt, wenn sie pädagogisch sinnvoll sind – nicht, um Leistungen zu vergleichen.

Lernen mit Vertrauen und Freude

Patricia Schmidt betonte, wie zentral Vertrauen und Beziehungsarbeit für nachhaltiges Lernen seien. Die Kinder entwickelten durch tägliche Reflexionsrunden, strukturierte Wochenpläne und freiwillige Projektarbeiten nicht nur Fachwissen, sondern auch Selbstorganisation, Empathie und Teamfähigkeit.

„Es geht nicht darum, weniger zu lernen – sondern anders“, sagte Schmidt. Die Schüler*innen der Alemannenschule erreichen laut den Vortragenden nicht nur gute Abschlüsse, sondern seien auch besonders selbstständig, belastbar und motiviert.

Zwischen Utopie und Machbarkeit

Das Publikum – darunter viele Lehrkräfte, Eltern, Studierende und bildungspolitisch Interessierte – zeigte sich beeindruckt, aber auch nachdenklich. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich: Der Wunsch nach Veränderung im Schulsystem ist groß – doch der Weg dahin ist oft von bürokratischen Hürden und politischen Widerständen geprägt.

Besonders eindrücklich war der Austausch zwischen den beiden Referentinnen, die nicht nur Konzepte vermittelten, sondern konkrete Einblicke in den Schulalltag gaben. Schmidt berichtete beispielsweise von stillen Rückzugsräumen, **Peer-Coaching unter Schülerinnen** und der Bedeutung emotionaler Sicherheit für erfolgreiches Lernen.

Die Fragen aus dem Publikum zeigten: Das Interesse an alternativen Bildungswegen wächst – ebenso wie die Skepsis, ob solche Modelle auf andere Schulen übertragbar sind.
„Was Sie hier vorstellen, klingt fantastisch – aber wie bringen wir das in unser Schulsystem?“, lautete eine der drängenden Fragen.
Ein anderer Teilnehmer fragte: „Wie kann eine Regelschule unter den bestehenden Vorgaben überhaupt anfangen, solche Konzepte umzusetzen?“

Ruppaner blieb realistisch, aber ermutigend. Es brauche Mut, Rückendeckung – und die Bereitschaft, sich auf einen offenen Prozess einzulassen:
„Es braucht mutige Lehrer, die im Kleinen anfangen“, antwortete er. Veränderung sei möglich, wenn man bereit sei, Fehler zuzulassen und gemeinsam neue Wege zu gehen.

Ein Abend, der Mut macht

Trotz aller Herausforderungen war die Grundstimmung am Ende der Veranstaltung positiv. Die Botschaft war klar: Schule kann anders sein – und besser. Der Erfolg der Alemannenschule zeigt, dass Reformen nicht nur notwendig, sondern auch umsetzbar sind – wenn man den Mut hat, alte Strukturen zu hinterfragen.

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