"Mehr Zeit für Pflege" - Pilotprojekt des Caritasverbands Hochrhein
Mehr Zeit, Flexibilität und Selbstbestimmung für Patient*innen und Pflegekräfte in der ambulanten Pflege verspricht ein Pilotprojekt des Caritasverbands Hochrhein, das derzeit bundesweite Beachtung findet. Dabei wird nach einem neuen Vergütungsmodell gearbeitet, das auf individuellen Vereinbarungen zwischen Pflegefachkraft und Patient*in beruht und nicht den vorgegebenen Leistungspaketen der Pflegeversicherung folgt. In dem Modell erhalten Patient*innen ein Zeitkontingent, innerhalb dessen passgenaue pflegerische und betreuerische Leistungen erbracht werden.
Rolf Steinegger, Vorstand beim Caritasverband Hochrhein, beschrieb in seinem Vortrag, wie ein solches Modell funktionieren kann: Die Pflegefachperson eruiert im Erstbesuch die Ressourcen und die Bedürfnisse der Patient*innen und deren An- und Zugehörigen. Die vereinbarten Leistungen werden in der pflegerischen Verordnung verschriftlicht, diese ist auch Grundlage für die Prüfung des Medizinischen Dienstes. Die Pflegefachperson schätzt ein, berät und definiert, welche Leistungen unter Einbezug des sozialen Umfelds notwendig und selbständigkeitsfördernd sind. Für deren Arbeitszufriedenheit ist entscheidend, dass somit ihre spezifischen Kenntnisse bspw. im Konzept des Primary Nursing oder der Kinästhetik Anwendung finden.
Wesentlich für diese Konzeption der selbstverantwortlich gestalteten Pflege, so Steinegger, sei außerdem das gewachsene Vertrauen der Kostenträger. In Kooperation mit der AOK Stuttgart wurden somit schon vor Jahren Voraussetzungen geschaffen, die Abrechnung nach einem Stundensatz ermöglichen.
Insgesamt, so wurde deutlich, geht es um einen Paradigmenwechsel bei der häuslichen Versorgung pflegebedürftiger Menschen, weg von einem zu erfüllenden Leistungskatalog und hin zu einer bedarfs- und bedürfnisgerechten flexibilisierten und individualisierten Pflege. Lebensqualität und Zufriedenheit können dadurch auf Seiten der Patient*innen und ihrer Bezugspersonen sowie auf Seiten der Pflegekräfte nachhaltig gesteigert werden.
In der lebendigen Diskussion ergriffen Studierende und Mitarbeitende der KH Freiburg die Gelegenheit, Rolf Steinegger Fragen zu stellen. Angesprochen wurden unter anderem die Themen Qualitätssicherung und Evaluation wie auch die Rolle akademisch qualifizierter Pflegefachpersonen in diesem Konzept.
Der Vortrag schloss mit einem Ausblick auf eine mögliche Skalierbarkeit des Modells. Durch den großen Erfolg sollen nun auch weitere Sozialstationen der Caritas Hochrhein auf das neue Vergütungsmodell umgestellt werden. Insgesamt hat das Modell das Potenzial, bundesweit wegweisend für eine zukunftsorientierte ambulante Pflege zu sein, die den Bedürfnissen und Bedarfen von Patient*innen und gleichermaßen von Pflegefachkräften entgegenkommt.
